Es gibt Regeln im Fußball, welche ungenau, schwammig und Auslegungssache sind. Zu diesen gehört auch die Regelung des absichtlichen Handspiels beziehungsweise des Handspiels im Allgemeinen. Aus aktuellem Anlass möchte ich heute ein paar Worte zu diesem überholungsbedürftigen Mysterium der Fußballgeschichte verfassen. Gerade gestern, im Freitagabendspiel der Bundesliga, gab es einen Fall, der nur mit einer neuen Handspielregel vernünftig aufzulösen gewesen wäre. Ich schildere kurz den Vorfall: Jan Schlaudraff ist mit dem Ball im Strafraum der Kölner unterwegs, will den Ball am gestolperten heranrollenden Womé vorbeilegen, dieser jedoch hält den Ball klar mit dem Arm auf, Schlaudraffs Dribbling ist beendet. Damit wurde ihm offensichtlich die Chance genommen, ein Tor zu erzielen. Aber dazu kommen wir später noch mal.
Regelkunde
Kommen wir erstmal zur Ist-Situation. Das aktuelle Regelwerk steht übrigens für jeden auf der Seite des DFB frei zum Download bereit. Im selbigen heißt es auf Seite 80
Dem gegnerischen Team wird ebenfalls ein direkter Freistoß zugesprochen, wenn ein Spieler […] den Ball absichtlich mit der Hand spielt (gilt nicht für den Torwart im eigenen Strafraum).
Üblichweise gibt es zu solchen Verordnungen weitere Auslegungen der FIFA, um das ganze etwas zu konkretisieren. Ab Seite 84 sind die Auslegungen zum Handspiel erklärt. Darin heißt es
Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt. Der Schiedsrichter achtet bei der Beurteilung der Situation auf
die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand),
die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwartetes Zuspiel),
die Position der Hand (Das Berühren des Balls an sich ist noch kein Vergehen.),
das Berühren des Balls durch einen Gegenstand in der Hand des Spielers (Kleidung, Schienbeinschoner usw.), was ein Vergehen darstellt,
das Treffen des Balls durch einen geworfenen Gegenstand (Schuh, Schienbeinschoner usw.), was ein Vergehen darstellt.
Das Problem
Ihr kennt es ganz sicher auch, wenn in einem Spiel ein Handspiel auftritt. Plötzlich mutmaßen Kommentatoren über Absicht oder nicht und wollen ganz genau wissen, was der Schiedsrichter in einem Bruchteil einer Sekunde gedacht haben will. So ein Unfug!
Wie leicht zu erkennen ist, ist die Handspielregel sehr schwammig. Ob ein absichtliches Handspiel besteht oder nicht, beruht komplett auf der subjektiven Beurteilung des Schiedsrichters. Der Unparteiische hat also die Möglichkeit, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden und damit auch das Spiel zu lenken. Das ist schlecht, denn die Absicht ist doch der Wille eines Spielers, etwas zu tun. Und dieser Wille ist nicht öffentlich, es sei denn der Spieler äußert diese Absicht, was im Fußball bei Handspielen eher selten der Fall ist. Oder habt ihr schon mal einen Spieler vor seinem Handspiel rufen hören “Ich will diesen Ball mit der Hand stoppen…”. Wie soll ein Schiedsrichter denn in der Lage sein, festzustellen, ob ein Spieler mit Absicht Hand spielte oder eben nicht? Nicht nur Schiedsrichter können das nicht beurteilen, sondern niemand.
Sicherlich können Annahmen über die Intention des Spielers getroffen werden, aber selbst diese sind nur subjektive Einschätzungen. Es gibt keine Möglichkeit mit einer hunderprozentigen Sicherheit eine Absicht festzustellen. Um diese Problem abzuschwächen, wurden die genannten Auslegungen von der FIFA aufgestellt. Aber selbst diese Auslegungen, wie “Entfernung zwischen Gegner und Ball” oder “die Position der Hand” sind keine harten Fakten, an denen man Messen kann, ob ein absichtliches Handspiel vorliegt oder nicht.
Konsequenz
Das ärgerliche ist doch, dass nach mehr oder weniger entscheidenen Handspielszenen alle am diskutieren sind. Jeder will es genauer und besser wissen, der andere hat immer Unrecht. Man fühlt sich benachteiligt und ungleich behandelt, wie Hannover im gestrigen Spiel.
Ich wage zu behaupten, dass das Handspiel beim Fußball die Regelwidrigkeit ist, bei der die Schiedsrichter am häufigsten daneben liegen. Der Grund ist ganz einfach: Bekommt ein Spieler den Ball an die Hand oder an den Arm, müssten im Kopf des Schiedsrichters viele Fragen rumgeistern: War es Absicht? War es keine Absicht? Ging die Hand zum Ball? Stand er weit genug weg? War es fahrlässig, den Arm dort zu haben? War der Arm angelegt? Wurde er angeschossen? Letztendlich wird aber sofort, also ohne Verzögerung, das Handspiel geahndet, oder auch nicht. Der Unparteiische kann also nur intuitiv entscheiden. Da kommen die Sippels und Wagners schonmal ins Schwitzen. Für meine Behauptung habe ich zwar keine Quelle, aber man könnte aufgrund der oben genannten Fakten die Fehlentscheidungen eh nicht messen.
Das muss jedoch nicht so sein, wenn wir eine Handspielregel hätten, die klar und deutlich und vor allem objektiv aussagt, wann ein Handspiel als eine Regelwidrigkeit vorliegt. Dann gibt es keine Auslegung mehr, denn dann heißt es Hand ja oder nein, und nicht vielleicht oder unabsichtlich oder fahrlässig. Und dann würden, in Sachen Handspiel, auch endlich alle gleich behandelt werden. Nehmen wir an die Regel würde ganz simpel heißen: “Handspiel liegt vor, wenn der Ball durch Einsatz von Hand oder Arm in Geschwindigkeit oder Richtung beeinflusst wird”, so hätte es meiner Meinung nach gestern einen Elfmeter geben müssen. (Meine Formulierung ist ganz sicher nicht ausgereift und sattelfest, was die Beurteilung von unterschiedlichen Szenen angeht. Womöglich hab ich etwas wichtiges vergessen. Es geht jedoch um einen simplen Entwurf eine objektiven Regel.)